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1. Sagen - S. 23

1912 - Berlin : Oehmigke
23 24. Auf dem Kñpellenberge. Steil über dem idyllischen, zwischen See und Wald ge- betteten Dorfe Blankensee ragen auf der westlichen Spitze der Glauer Berge noch heute die bemoosten Feldsteinruinen einer alten Kapelle, von dunklen, schwermütigen Kiefern umstanden, einsam empor. Aus dem 14. oder 15. Jahrhundert stammend, hat nach dem Hereinbrechen der Reformation das kleine Gottes- haus, das sicherlich außer dem Bilde eines Heiligen oder der Gebenedeiten keine prunkvolle Ausschmückung jemals besaß, ein- sam und verlassen gestanden und ist dann allmählich zerfallen. Aber je mehr die Trümmerhaufen sich erhöhten, um so mehr auch wuchs die Sage von den stillen Ruinen droben, und sie ging geschäftig von Haus zu Haus und klopfte an alle Türen der Dörfer ringsum, und wie es dann die Alten sich seit Menschen- gedenken erzählten, so raunen es sich auch heute noch die Jungen ins Ohr und blicken, wenn der Abend von dem Berge müde nieder zum Grössin-See steigt, wohl scheu empor, ob sich zwischen den Trümmerhaufen wieder die zuckenden, blauen Flümmchen zeigen, dort, wo ein gewaltiger, herrlicher Schatz für immer vergraben liegt. Noch keiner hat ihn freilich gehoben, wie oft und wie viele auch hingezogen sind zur Geisterstunde, um beherzt den Zauber zu brechen. Daß aber ein Schatz da oben ruht, das steht bei allen Landleuten fest. Ging doch einmal ein Mann aus Blankensee gegen Abend an den Ruinen eben vorbei, als er plötzlich zwischen dem Gemäuer einen großen Haufen gekochter Krebse liegen sah. Verdutzt blieb er stehen. Dann trat er näher und griff beherzt ein paar heraus, die er nun einsteckte, um sie seiner Frau mitzunehmen. Doch wie groß war seine Überraschung, als er, zu Hause angekommen, sie aus der Tasche zog und mit heller Freude statt der Krebse jetzt die schönsten, blitzenden Goldstücke in der Hand hielt. Oft- mals ist er dann noch hingewandert, aber nur einmal ist ihm das Glück hold gewesen. Gold hat keiner wieder droben gefunden. Aber ein alter Schäfer wußte noch mehr von dem geheimnisvollen Spuk in den Kapellenruinen zu erzählen. Das war um Mittag, just als die Sonne so recht prall auf dem Grössin-See unten lag, da zog er mit seiner weidenden Herde über den Berg, und wie er an der

2. Sagen - S. 42

1912 - Berlin : Oehmigke
42 Da fährt er so einher, als ob er lebend wär'; aller Kutscher Muster, treu und fest und grob, Pfund genannt, umschmeißen kannt' er nicht: das warsein Lob ! 2. Mordwege fuhr er ohne Furcht; sein Mut hielt aus in Schnee, Nacht, Sturm und Wasserflut. Ihm war das einerlei, er fand gar nichts dabei. In dem Schnurrbart fest und steif blieb sein Gesicht, und man sah darauf kein schlimmes Wetter niemals nicht. 3. Doch rührte man an seinen Kutscherstolz, war jedes Wort von ihm ein Kloben Holz; woher es auch geschah, daß er es einst versah und dem alten Fritz etwas zu gröblich kam, wessenhalb derselbe eine starke Prise nahm 4. und sprach: „Ein grober Knüppel, wie Er ist, der fährt fortan mit Eseln Knüppel oder Mist!" Und so geschah's. Ein Jahr bereits verflossen war, als der Pfund einst Knüppel fuhr und guten Muts ihm begegnete der alte Fritz; der frug: „Wie tut's?" ö. „I nun, wenn ich nur fahre," sagte Pfund, indem er fest auf seinem Fahrzeug stund, „so ist mir's einerlei und weiter nichts dabei, ob's mit Pferden oder ob's mit Eseln geht, fahr' ich Knüppel oder fahr' ich Euer Majestät." 6. Da nahm der alte Fritz Tabak gemach und sah den groben Pfund sich an und sprach: „Hüm, find't Er nichts dabei und ist Ihm einerlei, ob es Pferd, ob Esel, Knüppel oder ich, lad Er ab, und spann Er um, und fahr Er wieder mich." August Kopisch.

3. Sagen - S. 117

1912 - Berlin : Oehmigke
117 5. Aus der Geschichte können wir aber mancherlei gute Lehren ziehen: Man soll niemand für gering ansehen, weil man nicht weiß, was aus ihm noch werden kann. — Man soll seine böse Zunge hüten. — Man soll neuem Gesinde alles ganz deut- lich sagen, was es zu tun hat, und nicht denken, sie wüßten es schon oder könnten leicht begreifen, wie es gemeint sei. Endlich trifft nicht immer das Sprichwort zu: Schuster, bleib bei deinem Leisten! Nach Gustav zu Putlitz (Bearbeitet vvn Walther Nohl). 92. Die Achtenhagens in der Sage. 1. Henning von Jagow, „klein an Gestalt, aber hoch an Gemüt," war, nachdem er sich verdient oder unverdient die Un- gnade des Markgrafen zugezogen hatte, aus dem Lande verbannt worden. Ein Preis stand auf seinen Kopf. Jagow wollte in- dessen nicht gern das Land verlassen, an dem er hing, und zog sich bis an die Oder in die Sumpf- und Waldgebiete zurück, die damals die Ostgrenze des markgräflichen Besitzes bildeten, also aller Wahrscheinlichkeit nach in die Berge und Brüche der Freien- walder Gegend. Hier lebte er mit andern Verbannten und Ausgestoßenen das Leben des Geächteten, ungekannt, namenlos, aber sicher im Schutze der Wälder. Es war ein Leben voll Kampf und Gefahr, voll Freiheit und Übermut. Aber unser Jagow trug doch schwer daran; denn es zog ihn unter die Menschen und in die Nähe des Markgrafen zurück, und seine Seele trachtete mehr und mehr nach einer Gelegenheit, sich die Gunst seines Herrn, den er liebte, neu zu erwerben. Und diese Gelegenheit bot sich endlich. Es kam zu einem Kriege mit den Pommern, und um Freienwalde herum stießen die Heere des Pommerherzogs und des Markgrafen aufeinander. Man focht Mann gegen Mann, und der Sieg neigte sich schon den Pommern zu, als Jagow aus der Waldestiefe mit seinen Geächteten hervorbrach. Er faßte den Feind im Rücken, und nach tapfrer Gegenwehr wandten sich die Pommern zur Flucht, der Oder zu, die jedoch nur von wenigen erreicht wurde. Die Mehrzahl färbte den Boden mit ihrem Blut, und die Stelle, wo das Blut floß, heißt bis auf diesen Tag das „rote Land". Jagow aber wurde vor den Markgrafen geführt, der ihn mit dem Lande

4. Sagen - S. 118

1912 - Berlin : Oehmigke
118 belehnte, auf dem er so glücklich gekämpft hatte. Auf daß sein Name aber nicht mehr fürder an alte Zeit und alten Groll er- innere, erhielt er den Namen Uchtenhagen, weil er „nht dem Hagen", d. h. aus dem Walde, zu des Markgrafen Rettung herbeigekommen war. 2. In Freienwalde wohnte zur Uchtenhagenschen Zeit neben dem Kirchhof ein Böttcher, der hieß Trampe. Das Wasser stand damals bis an die Stadt heran, und zwischen Trampes Haus und dem Wasser lag bloß der Kirchhof. Eines Nachts hörte nun Trampe ein Knurren und Winseln, und er trat ans Fenster, um zu sehen, was es sei. Er sah aber nichts als den Vollmond, der am Himmel stand. Er legte sich also wieder nieder und warf sich eben ans die rechte Seite, da hörte er seinen Namen rufen: „Trampe!" — dreimal. Und dann wurde es wieder still. Und in der nächsten Nacht ebenso. Trampe meinte nicht anders, als er werde nun sterben müssen, und er ergab sich auch in sein Schicksal und dachte: „Wenn es wieder ruft, dann wirst du folgen, es sei, wohin es sei." Und in der dritten Nacht rief es wieder. Trampe trat nun auf den Kirchhof hinaus, und als er sich umsah, war es ihm, als liefe was wie ein Hund zwischen den Gräbern hin und her. Er konnte es aber nicht genau sehen, denn das Kirch- hofgras stand sehr hoch. Trampe folgte der Spur, die nach der Wasserseite des Kirchhofs ging, und als er an den Strom kam, sah er einen Kahn, der mit dem Vorderteil im Wasser und mit dem Hinterteil aus dem Trocknen lag. An der äußersten Spitze des Kahns aber stand ein schwarzer Pudel mit zwei Feueraugen und sah Trampe so an, daß dieser dachte: „Hier ist ©infteigeu das beste." Und kaum saß er da, so fuhr der Kahn, als ob er von hundert Händen geschoben würde, wie ein Pfeil in den Fluß hinein und über- das Wasser fort. Keiner steuerte, keiner führte das Ruder; aber der Kahn ging rechts und links, immer wie der Pudel den Kopf drehte. So kamen sie bis an den Schloßberg. Der Kahn lief jetzt auf; beide sprangen ans Ufer und stiegen bergan. Inzwischen war es dunkel geworden, der Mond war untergegangen. Aber ob nun der Hund rückwärts bergan lief oder ob er den Kopf nach hinten gedreht hatte, so viel ist gewiß, Trampe sah immer die zwei Feueraugen vor sich, die ihm bis oben hinauf den Weg zeigten. Und als er nun in den Burghof trat, standen da wohl

5. Sagen - S. 75

1912 - Berlin : Oehmigke
75 9. Verzweifelnd wirft sich Jeschko der Flucht entgegen wild, da stürzt der Träger des Drachen, nieder das Fahnenbild. — Da packt das bleiche Entsetzen den ganzen Wendentroß, der Heidenkönig selber wirft herum das Roß. 10. Er raset über die Heide, in Wolken hüllt ihn der Sand, er saust wie's Wetter hernieder zu der Havel Strand. Er ruft die Götter, doch schweigend die Kiefern stehen ringsum; dreimal ruft er die Götter, die Heide sie bleibet stumm. 11. Wild gibt er dem Roß die Sporen, der Feind ist nahe genung, und setzt in die blaue Havel hinein mit gewaltigem Sprung. Die Wogen sie fassen die Beute, sie ziehen den Reiter hinab, und Jeschko fühlet schwindelnd ringsum das nasse Grab. 12. Da ist der Trotz gebrochen dem grimmigen Heidenmann, er ruft in Todesängsten den Gott der Christen an: „Und kannst du mich erretten, Herrgott! aus diesem Grau'n, will ich dein Diener werden und Tempel dir erbauen. 13. „Ich will die heil'ge Taufe mit meinem Volk empfahn, will deiner Kirche dienen als treuer Untertau!" Und als er das gelobet, die Woge hub ihn sacht, sie hat zum nächsten Hörne ihn unversehrt gebracht. 14. Dort hing er an der Eiche auf den Drachenschild und neigt' sein Haupt dem Glanze vom Kreuze wundermild. Mit allen seinen Mannen hat er die Taufe empfahn, zu Brandenburg dem Dome ward er untertan. 15. Wo einst der Fürst der Wenden den heil'gen Glauben fand, kaum klingt die Sage leise noch hin am Havelstrand; die Woge singt sie flüsternd noch um die grünen Höh'n, mein Ohr hat sie vernommen am Herbsttag still und schön. George Hesekiel. 60. Der Name von Köpenick und der große Krebs von Stralow. Im Müggelsee soll vor alten Zeiten ein großer Krebs gewesen sein. Das war aber kein gewöhnlicher Krebs, sondern ein ver- wünschter Prinz. Mit ihm soll sich nun einmal eine eigentüm-

6. Sagen - S. 124

1912 - Berlin : Oehmigke
124 Eisenhardt, und sie beide traten den Alten an: „Laßt uns nun hier allein stehen, gnädiger Herr", sagte der Dienstmann. „Eine Weile halten wir noch den Paß, so wir uns hineinziehen, und oben vom Gemäuer wälzen wir Steine. Ihr aber reitet fort mit den zween Söhnen, so Euch bleiben." „Das müßt Ihr tun um Eures edlen Hauses willen," sprach Ulrich Pfuel, „denn Ihr habt genug getan." — „Vater, reite!" drängten ihn die Söhne. — „Da sei Gott für," rief der alte Uchten- hagen, „daß ich, was eines Edlen sei, Dienstleuten überlasse." — „Herr, mein Gott," ries der Pfuel, „der Bayer verdient nicht solche Treue um uns." — „Aber wir, daß wir uns selbst treu sind! Das ist des Adels Pflicht, daß er besser ist als die andern. Er muß mehr tun, sonst ist er weniger als sie. Wahrlich, ich sage Euch, es tut uns not, daß wir den Rost kehren von unsern Wappen- schilden, daß wir den Stahl hell leuchten lassen; sonst glauben sie nicht, daß er echt war." — „Ihr, meine lieben Söhne I" sprach er nun zu ihnen, öa er sich wieder aufs Roß heben ließ — „Euch gebe ich's frei, wollt Ihr gehen oder bleiben? Ihr setzt mein Geschlecht fort, und es ist ein wehrhaft gut Geschlecht: das hat als Markhüter an der Oder gestritten gegen die Slaven zwei Jahrhunderte. Fallt ihr mit mir, dann sinkt mein Haus ins Grab. Aber es liegt dort mit Ehren. Besser, mein! ich, begraben sein mit guter Ehre, als fortleben mit bösem Leumund." Die Söhne jauchzten, riefen: „Mit dir sterben in Ehren, Vater!" Da breitete er segnend die Hände aus und küßte jeden auf die Stirn. Zu mehr war nicht Zeit. Es sauste heran, und ein Bolzenschauer hagelte durch den Schnee. Was klirrten die Har- nische, was ward der Schnee rot von edlem Blut! Als der Tag dämmerte und der Morgen bläßlich die Wolken im Osten rötete, schwieg der Sturm; auch der Kriegslärm toste nicht mehr. Da standen viel hunderte Krieger stumm als Trauernde aus ihre Lanzen gelehnt und sahen das Werk an, das sie verrichtet. Manchem edlen Manne ward die Wimper feucht. Sie standen am Hohlweg, und ii)urti)ert Arme hätten lange ar- beiten müssen, ehe sie durchkonnten, ob doch kein Lebendiger ihnen wehrte. Der Weg lag voll Trümmer, so die von der alten Kapelle oben hinuntergewälzt, ganze Mauerstücke, Balken, Sparren und Bäume, und darum lagen Pferdeleiber und auf den Trümmern

7. Mittelhochdeutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten - S. 176

1872 - Stolp : Eschenhagen
176 Rudolf Von Eivss. Während bei dem Volks-Epos der einzelne Sänger hinter die Masse des dichtenden Volkes zurücktritt, so daß wir gar nicht einmal seinen Namen er- fahren: sind wir bei dem Kunst-Epos, wie überhaupt bei der Kunstdichtung, an einzelne hervorragende Dichter gewiesen. Ein Meister auf dem Gebiete der kleineren epischen Erzählung, für welche hier allein der Kaum, ist Rudolf von Ems, von der Burg Hohen-Ems in Vorarlberg stammend, f um 1254 in Italien, wohin er wahrscheinlich den Kaiser Konrad Iv. begleitet hatte. Er war ein sehr fruchtbarer epischer Dichter; die bedeutendsten von seinen uns erhaltenen Gedichten sind: die Weltchronik, Barlaam und Josaphat, und der gute Gerhard von Köln. Die letzte Erzählung beweist an einem großartigen Beispiele, daß das Gute nur um sein selbst willen zu üben sei, ohne Hinblick auf irdischen Lohn und ohne Ruhmredigkeit. Ueberkaupt gibt das Gedicht im Vergleich mit Nibelungen und Gudrun nach allen Seiten hin ein Neues: äußerlich, indem es gegenüber jenen Schilderungen ritterlichen Lebens und Treibens ein Bild von dem aufblü- henden St ädte wesen des Mittelalters entrollt, somit auch diese höchst bedeu- tende Seite altdeutscher Herlichkeit zu ihrem Rechte kommen läßt — innerlich, indem es nachweist, daß es noch eine andere Tapferkeit gibt als die des Schwertes und der Lanze: die zwar weniger glänzende, aber in ihrem inneren Werthe wohl noch höher stehende Tapferkeit der Selbstbezwingung. Denn, wie Walther singt, ‘wer sieht den lewen? wer sieht den risen? wer überwindet jenen und disen? daz tuot einer, der sich selber twinget.’ Der Gute Gerhard. (Vor Zeiten herschte in deutschen Landen ein Kaiser, durch tugendlichen Wandel und gerechtes Regiment überall bekannt und werth: man hieß ihn Otto den Rothen. Wandelnd in der hohen Weisheit des großen Karl, war er und mit ihm seine fromme Gemahlin Ottogeba eine Zierde der Christenheit. Um mit ihrem Reichtum Gott Ehre zu erweisen, stifteten beide ein Erzbistum zu Magdeburg im Sachsenlande und begabten ihre Stiftung reichlich mit Dienstmannen, Städ- ten, Burgen und Land. Für solche That gieng von allen Seiten dem Kaiser die Rede des Beifalls zu, und sein Lob war in Aller Munde. Da dachte er, hätte er Preis und Ruhm bei der Welt erlangt, so sollte auch sein Lohn bei Gott groß werden, dem niemand so viel dar gebracht als er. In diesem thörichten Gedanken gieng der Kaiser eines Tages zu Magdeburg ganz allein in das Münster und flehte Gott an, ihn den Lohn wissen zu lassen für die große Gutthat, mit der er seinen Ruhm und Dienst gemehrt. ‘Das alles habe ich für dich gethan; was wird mir dafür?’ Da ward ihm die Antwort durch eines Engels Stimme: ‘Dir war schon ein Stuhl im Himmel bereitet, aber durch dein Selbstlob hast du ihn selber von der Stätte gestoßen. Deiner Gutthat ist vergessen, weil dein verkehr- tes Herz sich erkühnt hat, sie dem Vergelter vorzuhalten. Willst du wissen, wie man sich ohne argen Wahn nach Gottes Geboten halten muß, so ziehe nach Köln, zu jenem Kaufmann, den keine Fürstenkrone ziert, dessen Name aber ge- schrieben steht im Buche der Lebendigen.’

8. Mittelhochdeutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten - S. 215

1872 - Stolp : Eschenhagen
215 ie nach des herzen muote 4450. lönet got der guote; wil du durch in daz liebe geben, er git dir herzenliebez leben.’ Min sun mit schoenen zühten sprach: ‘vater min, diz ungemach 4455. wil ich tragen durch din gebot; durch minen herren und durch got wil ich die frouwen lazen fri. swie we mir immer nach ir si, si habe ir man! daz ist ge- schehen. 4460. wol hin und lat mich iu ge- sehen, der mine frouwen haben sol; durch got gan ich im ir wol.' Des freute sich min herze do. min herre was mit mir so 4465. daz wir begunden beide von liebe und ouch von leide mit minem sune weinen da. von dannen kerten wir do sä hin an den selben stunden, 4470. da wir den künic funden. (Sie führen den königlichen Pilger, dessen Schönheit neu erblüht ist, zu der Braut, und in der seligen Freude der wieder Vereinigten finden Vater und Sohn schon jetzt einen Ersatz für ihre heldenmiithige, schmerzliche Entsagung. Nach- dem die erste Hochzeit zergangen, lädt Gerhard seine Gäste alsbald zur zweiten ein, die er dem König Willehalm von England ausrichtet. Nach dem Feste führt er seine hohen Schützlinge auf einem besonders dazu ausgerüsteten Schiffe in die englische Heimat hinüber.. In Lunders (London) wird gelandet; dort ist gerade eine große Versammlung der Fürsten des Reiches, um an Stelle Wilhelms^ den man für todt hält, einen neuen König zu küren, der des Reiches walte und der eingerissenen Unordnung steure. Als Gerhard erscheint und die einstmals durch ihn Geretteten ihn erkennen, wollen dieselben in stürmischer Begeisterung ihn zum König machen; er aber weist sie auf ihren rechtmäßigen König Wil- helm hin, welcher noch lebe und wieder erschienen sei. Dessen Krönung wird nun mit solcher Herlichkeit gefeiert, daß man seit Aitus des Britonen viel- gepriesener Zeit kein ähnliches Hochfest gesehen. Der schönste Augenblick ist aber der, da Wilhelm auf Gerhards Fürbitte den Rittern, die während seiner Abwesenheit Unruhen erregt hatten milde verzeiht. Das ist der einzige Lohn, den Gerhard sich erbittet. Alles Andere schlägt er aus, das Herzogtum Kent, welches der König ihm zu Lehen geben will» nicht minder, als die Grafschaft Lunders und die reichen Schätze, die ihm zu dreifachem Ersätze aufgenöthigt werden sollen. Nur eine Brustspange und einen Fingerring nimmt er endlich beim Scheiden, der Königin Irene zu Gefallen» um beides der daheim gebliebenen Gattin als Angedenken zu überbringen. ‘Wohlbehalten’, — so schließt Gerhard seine Erzählung — ‘kam ich in der Heimat an. Da deuchte die Leute meine That viel größer und löblicher, als sie war, und so ist es geschehen, daß man mich seitdem den ‘guten Gerhard’ nennt — mit welchem Rechte, das weiß ich leider nicht. Ich bin nicht gut; nein, ein so sündiger Mann bin ich, daß ich mich auf nichts Gutes in meinem ganzen Leben besinnen kann, als auf das Wenige, was ich euch eben erzählt

9. Mittelhochdeutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten - S. 216

1872 - Stolp : Eschenhagen
216 habe. Ist dies gut — das that ich, aber nichts weiter, und ich bitte nur Gott mir zu verzeihen, daß ich von meinem Thun hier soviel gesprochen.’ Aber noch ehe Gerhard ganz geendet, wird der Kaiser vom Schmerz der Reue so heftig bewegt, daß reichliche Thränen ihm auf Bart und Brust rinnen. In nichts verschwindet sein ruhmrediges Werk neben der bescheidenen Herzens- gute dieses Kaufmanns, der das Schwerste vollbracht hat um keinen andern Lohn als das Wohlgefallen Gottes. Als nun der Kaiser Abschied nimmt und wieder gen Magdeburg reitet, ist sein Herz umgewandelt. Viel Großes hat er noch seitdem vollbracht, aber nie hat er sich wieder zu eitlem Selbstruhm erhoben, sondern Lauterkeit und De- muth bis an’s Ende bewahrt.) Walther Von Der Vogelweide. Der größte deutsche Lyriker des Mittelalters ist Walther von der Vogel- weide. Wir wissen von seinem Leben mehr wie von dem der meisten Dichter jener Zeit, und doch ist Vieles, namentlich Anfang und Ende seines Lebens,, in Dunkel gehüllt. Sein Geburtsland, mag dies nun Franken oder Tirol gewesen sein, muß er schon früh verlassen haben; denn in Oesterreich lernte er ‘singen und sagen’. Tn diesem von der Natur gesegneten Lande brachte er seine Jugend zu und fand daselbst an dem Hofe der kunstliebenden Babenberger, namentlich Friedrichs des Katholischen, ehrenvolle Aufnahme. Allein diese schöne, sonnighelle Zeit erreichte ein schnelles Ende: Herzog Friedrich starb im Frühjahr 1198 in Palästina, und durch den Tod seines Gönners wurde, Walther genöthigt, Wien und Oesterreich zu verlassen und eine Wanderleben zu führen, auf welchem er den größten Theil Deutschlands und selbst die an- grenzenden Länder sah und kennen lernte, im Dienste verschiedener Herren thätig, stets aber an des Vaterlandes Schicksalen den regsten Antheil nehmend und mit seinem Liede dessen Wohl und Wehe begleitend. Und treuer, starker Männer bedurfte unser Vaterland damals wohl. Es war eine bewegte Zeit. Tm Spätherbst des Jahres 1197 war Kaier Heinrich Vi, im fernen Messina gestorben, und mit seinem Tode war Verwirrung über Deutsch- land hereingebrochen. Hoh e nstaufe n und Welf en stritten um die Krone, und durch den Papst, damals Innocenz Iii., wurden diese das Reich zerrütten- den Streitigkeiten noch genährt und vermehrt. Walther trat von Anfang an mit Entschiedenheit auf die Seite der Hohenstaufen, zunächst Philipps von Schwaben, dessen Krönung zu Mainz (1198) er als Augenzeuge freudig be- grüßte, und verfocht deren Sache mit unerschrocknem Muth und ausharrender Treue. Nur als nach Philipps Ermordung durch den Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach der Welfe Otto, Heinrichs des Löwen Sohn, der durch die Ver- mählung mit Philipps Tochter Beatrix die Rechte beider Parteien in sich ver- einigt zu haben schien, von den Fürsten einmüthig zum Kaiser gewählt worden war (1208), hatte auch Walther keinen Grund, ihm seine Huldigung zu ver- sagen. Theils in seinem unmittelbaren Dienste, theils im Dienste ihm ergebener Fürsten, namentlich des Landgrafen Hermann von Thüringen, erhob Walther oftmals seine jezt häufiger ernst mahnende und strafende, wie heiter scherzende Stimme. Dabei ließ er sich durch die bald gegen Otto erfolgenden

10. Mittelhochdeutsches Lesebuch für höhere Lehranstalten - S. 191

1872 - Stolp : Eschenhagen
191 2205. ich loste iuch hinnen sä zehant. daz künecriche ze Engellant lit mir wol so nähen, wil ez iu niht yersmähen, ich behalte iuch sicherlichen 2210. benamen so giietlichen, daz ez iuch ninder missezimt, biz man fiir wär und wol ver- nimt und üf ein ende rehte ersiht, ob indert lebet oder niht 2215. der junge künec von Engellant, der iu ist ze manne benant.’ Diu frouwe ab ir gestüele gie, si wolte für mich üf ir knie gevallen sin. daz was mir leit. 2220. do was ich sä gen ir bereit und bat si durch ir tugent site, daz si ez lieze und ez vermite. do wurden ir diu ougen vol. so kintliche und also wol 2225. künde si mit zühten biten, daz ich wol sach an ir siten, daz si vil ernstlich gedanc üf die bete sere twanc; des ich mich wol an ir versach. 2230. ir ■ jugent üz alten witzen sprach: ‘genäde, süezer reiner lip! lä mich geniezen, daz ein wip dich an dise weit gebar; des nim genaedeclichen war 2235. an mir durch elliu werden wip! genäde, saeldebernder lip ! lä dir min angest sin geklagt durch die hoehesten magt, — die himelischen künegin her; durch die spreit ich mins herzen 2255. süezer reiner lip, für dich, [ser, daz du gedenkest des, daz ich ir gename bin genant, wan ich ein maget bin erkant und dise frouwen, die hie sint. 2260. nü läz uns werden diniu kint! süezer vater, lieber tröst, mache uns von leide erlöst ! genâde, herre, sît dû treist kristenlichen volleist, 2265. sô ère an uns kristen namen gotlichen unde lobesamen und des reinen toufes kraft! lœse uns von der heidenschaft, sit dich got hät her gesant. 2270. ich var mit dir in din lant; swaz dû wilt, daz wil ouch ich. min vater gerne loeset mich, des ich im getrouwen soi ; sô weiz ich von wärheit wol, 2275. lebt der künec von Engellant, wird ich im lebende erkant, daz er mich niht lange lät, ob er gesunt sin leben hät. sint si aber alle tôt, 2280. die mir helfen suln von not, so lebt doch got, der lönet dir, swaz dû begêst genâde an mir. hilf mir in die kristenheit durch got und lä dir wesen leit, 2285. daz ich än alle schulde sô grozen kumber dulde und ouch die edeln frouwen. owe, soi ich niht schouwen vater, friunt noch kristen lant! 2290. wie danne got siniu bant mit zorne hät an mich geleit in ungelückes arbeit! ’ [groz. Der frouwen weinen daz was ir liehter ougenschin begoz 2295. den gotes reinen meienfliz, der rôserôt, der liljenwiz
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