23
24. Auf dem Kñpellenberge.
Steil über dem idyllischen, zwischen See und Wald ge-
betteten Dorfe Blankensee ragen auf der westlichen Spitze der
Glauer Berge noch heute die bemoosten Feldsteinruinen einer
alten Kapelle, von dunklen, schwermütigen Kiefern umstanden,
einsam empor. Aus dem 14. oder 15. Jahrhundert stammend,
hat nach dem Hereinbrechen der Reformation das kleine Gottes-
haus, das sicherlich außer dem Bilde eines Heiligen oder der
Gebenedeiten keine prunkvolle Ausschmückung jemals besaß, ein-
sam und verlassen gestanden und ist dann allmählich zerfallen.
Aber je mehr die Trümmerhaufen sich erhöhten, um so mehr
auch wuchs die Sage von den stillen Ruinen droben, und sie
ging geschäftig von Haus zu Haus und klopfte an alle Türen
der Dörfer ringsum, und wie es dann die Alten sich seit Menschen-
gedenken erzählten, so raunen es sich auch heute noch die Jungen
ins Ohr und blicken, wenn der Abend von dem Berge müde nieder
zum Grössin-See steigt, wohl scheu empor, ob sich zwischen den
Trümmerhaufen wieder die zuckenden, blauen Flümmchen zeigen,
dort, wo ein gewaltiger, herrlicher Schatz für immer vergraben liegt.
Noch keiner hat ihn freilich gehoben, wie oft und wie viele auch
hingezogen sind zur Geisterstunde, um beherzt den Zauber zu
brechen. Daß aber ein Schatz da oben ruht, das steht bei allen
Landleuten fest.
Ging doch einmal ein Mann aus Blankensee gegen Abend
an den Ruinen eben vorbei, als er plötzlich zwischen dem Gemäuer
einen großen Haufen gekochter Krebse liegen sah. Verdutzt blieb
er stehen. Dann trat er näher und griff beherzt ein paar heraus,
die er nun einsteckte, um sie seiner Frau mitzunehmen. Doch
wie groß war seine Überraschung, als er, zu Hause angekommen,
sie aus der Tasche zog und mit heller Freude statt der Krebse
jetzt die schönsten, blitzenden Goldstücke in der Hand hielt. Oft-
mals ist er dann noch hingewandert, aber nur einmal ist ihm das
Glück hold gewesen.
Gold hat keiner wieder droben gefunden. Aber ein alter
Schäfer wußte noch mehr von dem geheimnisvollen Spuk in
den Kapellenruinen zu erzählen. Das war um Mittag, just als
die Sonne so recht prall auf dem Grössin-See unten lag, da zog
er mit seiner weidenden Herde über den Berg, und wie er an der
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
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42
Da fährt er so einher,
als ob er lebend wär';
aller Kutscher Muster, treu und fest und grob,
Pfund genannt, umschmeißen kannt' er nicht: das warsein Lob !
2. Mordwege fuhr er ohne Furcht; sein Mut
hielt aus in Schnee, Nacht, Sturm und Wasserflut.
Ihm war das einerlei,
er fand gar nichts dabei.
In dem Schnurrbart fest und steif blieb sein Gesicht,
und man sah darauf kein schlimmes Wetter niemals nicht.
3. Doch rührte man an seinen Kutscherstolz,
war jedes Wort von ihm ein Kloben Holz;
woher es auch geschah,
daß er es einst versah
und dem alten Fritz etwas zu gröblich kam,
wessenhalb derselbe eine starke Prise nahm
4. und sprach: „Ein grober Knüppel, wie Er ist,
der fährt fortan mit Eseln Knüppel oder Mist!"
Und so geschah's. Ein Jahr
bereits verflossen war,
als der Pfund einst Knüppel fuhr und guten Muts
ihm begegnete der alte Fritz; der frug: „Wie tut's?"
ö. „I nun, wenn ich nur fahre," sagte Pfund,
indem er fest auf seinem Fahrzeug stund,
„so ist mir's einerlei
und weiter nichts dabei,
ob's mit Pferden oder ob's mit Eseln geht,
fahr' ich Knüppel oder fahr' ich Euer Majestät."
6. Da nahm der alte Fritz Tabak gemach
und sah den groben Pfund sich an und sprach:
„Hüm, find't Er nichts dabei
und ist Ihm einerlei,
ob es Pferd, ob Esel, Knüppel oder ich,
lad Er ab, und spann Er um, und fahr Er wieder mich."
August Kopisch.
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Extrahierte Personennamen: Mordwege Fritz Fritz Fritz August
117
5. Aus der Geschichte können wir aber mancherlei gute
Lehren ziehen: Man soll niemand für gering ansehen, weil man
nicht weiß, was aus ihm noch werden kann. — Man soll seine
böse Zunge hüten. — Man soll neuem Gesinde alles ganz deut-
lich sagen, was es zu tun hat, und nicht denken, sie wüßten es
schon oder könnten leicht begreifen, wie es gemeint sei. Endlich
trifft nicht immer das Sprichwort zu: Schuster, bleib bei deinem
Leisten!
Nach Gustav zu Putlitz (Bearbeitet vvn Walther Nohl).
92. Die Achtenhagens in der Sage.
1. Henning von Jagow, „klein an Gestalt, aber hoch an
Gemüt," war, nachdem er sich verdient oder unverdient die Un-
gnade des Markgrafen zugezogen hatte, aus dem Lande verbannt
worden. Ein Preis stand auf seinen Kopf. Jagow wollte in-
dessen nicht gern das Land verlassen, an dem er hing, und zog
sich bis an die Oder in die Sumpf- und Waldgebiete zurück, die
damals die Ostgrenze des markgräflichen Besitzes bildeten, also
aller Wahrscheinlichkeit nach in die Berge und Brüche der Freien-
walder Gegend. Hier lebte er mit andern Verbannten und
Ausgestoßenen das Leben des Geächteten, ungekannt, namenlos,
aber sicher im Schutze der Wälder. Es war ein Leben voll Kampf
und Gefahr, voll Freiheit und Übermut. Aber unser Jagow
trug doch schwer daran; denn es zog ihn unter die Menschen
und in die Nähe des Markgrafen zurück, und seine Seele trachtete
mehr und mehr nach einer Gelegenheit, sich die Gunst seines
Herrn, den er liebte, neu zu erwerben.
Und diese Gelegenheit bot sich endlich. Es kam zu einem
Kriege mit den Pommern, und um Freienwalde herum stießen
die Heere des Pommerherzogs und des Markgrafen aufeinander.
Man focht Mann gegen Mann, und der Sieg neigte sich schon
den Pommern zu, als Jagow aus der Waldestiefe mit seinen
Geächteten hervorbrach. Er faßte den Feind im Rücken, und
nach tapfrer Gegenwehr wandten sich die Pommern zur Flucht,
der Oder zu, die jedoch nur von wenigen erreicht wurde. Die
Mehrzahl färbte den Boden mit ihrem Blut, und die Stelle, wo
das Blut floß, heißt bis auf diesen Tag das „rote Land". Jagow
aber wurde vor den Markgrafen geführt, der ihn mit dem Lande
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Extrahierte Personennamen: Gustav Gustav Walther_Nohl Henning_von_Jagow Jagow Jagow Jagow Jagow
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75
9. Verzweifelnd wirft sich Jeschko der Flucht entgegen wild,
da stürzt der Träger des Drachen, nieder das Fahnenbild. —
Da packt das bleiche Entsetzen den ganzen Wendentroß,
der Heidenkönig selber wirft herum das Roß.
10. Er raset über die Heide, in Wolken hüllt ihn der Sand,
er saust wie's Wetter hernieder zu der Havel Strand.
Er ruft die Götter, doch schweigend die Kiefern stehen ringsum;
dreimal ruft er die Götter, die Heide sie bleibet stumm.
11. Wild gibt er dem Roß die Sporen, der Feind ist nahe genung,
und setzt in die blaue Havel hinein mit gewaltigem Sprung.
Die Wogen sie fassen die Beute, sie ziehen den Reiter hinab,
und Jeschko fühlet schwindelnd ringsum das nasse Grab.
12. Da ist der Trotz gebrochen dem grimmigen Heidenmann,
er ruft in Todesängsten den Gott der Christen an:
„Und kannst du mich erretten, Herrgott! aus diesem Grau'n,
will ich dein Diener werden und Tempel dir erbauen.
13. „Ich will die heil'ge Taufe mit meinem Volk empfahn,
will deiner Kirche dienen als treuer Untertau!"
Und als er das gelobet, die Woge hub ihn sacht,
sie hat zum nächsten Hörne ihn unversehrt gebracht.
14. Dort hing er an der Eiche auf den Drachenschild
und neigt' sein Haupt dem Glanze vom Kreuze wundermild.
Mit allen seinen Mannen hat er die Taufe empfahn,
zu Brandenburg dem Dome ward er untertan.
15. Wo einst der Fürst der Wenden den heil'gen Glauben fand,
kaum klingt die Sage leise noch hin am Havelstrand;
die Woge singt sie flüsternd noch um die grünen Höh'n,
mein Ohr hat sie vernommen am Herbsttag still und schön.
George Hesekiel.
60. Der Name von Köpenick und der große Krebs
von Stralow.
Im Müggelsee soll vor alten Zeiten ein großer Krebs gewesen
sein. Das war aber kein gewöhnlicher Krebs, sondern ein ver-
wünschter Prinz. Mit ihm soll sich nun einmal eine eigentüm-
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124
Eisenhardt, und sie beide traten den Alten an: „Laßt uns nun
hier allein stehen, gnädiger Herr", sagte der Dienstmann. „Eine
Weile halten wir noch den Paß, so wir uns hineinziehen, und
oben vom Gemäuer wälzen wir Steine. Ihr aber reitet fort
mit den zween Söhnen, so Euch bleiben."
„Das müßt Ihr tun um Eures edlen Hauses willen," sprach
Ulrich Pfuel, „denn Ihr habt genug getan." — „Vater, reite!"
drängten ihn die Söhne. — „Da sei Gott für," rief der alte Uchten-
hagen, „daß ich, was eines Edlen sei, Dienstleuten überlasse." —
„Herr, mein Gott," ries der Pfuel, „der Bayer verdient nicht
solche Treue um uns." — „Aber wir, daß wir uns selbst treu sind!
Das ist des Adels Pflicht, daß er besser ist als die andern. Er
muß mehr tun, sonst ist er weniger als sie. Wahrlich, ich sage
Euch, es tut uns not, daß wir den Rost kehren von unsern Wappen-
schilden, daß wir den Stahl hell leuchten lassen; sonst glauben sie
nicht, daß er echt war."
— „Ihr, meine lieben Söhne I" sprach er nun zu ihnen, öa
er sich wieder aufs Roß heben ließ — „Euch gebe ich's frei, wollt
Ihr gehen oder bleiben? Ihr setzt mein Geschlecht fort, und es
ist ein wehrhaft gut Geschlecht: das hat als Markhüter an der
Oder gestritten gegen die Slaven zwei Jahrhunderte. Fallt ihr
mit mir, dann sinkt mein Haus ins Grab. Aber es liegt dort
mit Ehren. Besser, mein! ich, begraben sein mit guter Ehre,
als fortleben mit bösem Leumund."
Die Söhne jauchzten, riefen: „Mit dir sterben in Ehren,
Vater!" Da breitete er segnend die Hände aus und küßte jeden
auf die Stirn. Zu mehr war nicht Zeit. Es sauste heran, und ein
Bolzenschauer hagelte durch den Schnee. Was klirrten die Har-
nische, was ward der Schnee rot von edlem Blut!
Als der Tag dämmerte und der Morgen bläßlich die Wolken
im Osten rötete, schwieg der Sturm; auch der Kriegslärm toste
nicht mehr. Da standen viel hunderte Krieger stumm als
Trauernde aus ihre Lanzen gelehnt und sahen das Werk an, das
sie verrichtet. Manchem edlen Manne ward die Wimper feucht.
Sie standen am Hohlweg, und ii)urti)ert Arme hätten lange ar-
beiten müssen, ehe sie durchkonnten, ob doch kein Lebendiger
ihnen wehrte. Der Weg lag voll Trümmer, so die von der alten
Kapelle oben hinuntergewälzt, ganze Mauerstücke, Balken, Sparren
und Bäume, und darum lagen Pferdeleiber und auf den Trümmern
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176
Rudolf Von Eivss.
Während bei dem Volks-Epos der einzelne Sänger hinter die Masse des
dichtenden Volkes zurücktritt, so daß wir gar nicht einmal seinen Namen er-
fahren: sind wir bei dem Kunst-Epos, wie überhaupt bei der Kunstdichtung, an
einzelne hervorragende Dichter gewiesen. Ein Meister auf dem Gebiete der
kleineren epischen Erzählung, für welche hier allein der Kaum, ist Rudolf von
Ems, von der Burg Hohen-Ems in Vorarlberg stammend, f um 1254 in Italien,
wohin er wahrscheinlich den Kaiser Konrad Iv. begleitet hatte. Er war ein
sehr fruchtbarer epischer Dichter; die bedeutendsten von seinen uns erhaltenen
Gedichten sind: die Weltchronik, Barlaam und Josaphat, und der
gute Gerhard von Köln.
Die letzte Erzählung beweist an einem großartigen Beispiele, daß das Gute
nur um sein selbst willen zu üben sei, ohne Hinblick auf irdischen Lohn und
ohne Ruhmredigkeit. Ueberkaupt gibt das Gedicht im Vergleich mit Nibelungen
und Gudrun nach allen Seiten hin ein Neues: äußerlich, indem es gegenüber
jenen Schilderungen ritterlichen Lebens und Treibens ein Bild von dem aufblü-
henden St ädte wesen des Mittelalters entrollt, somit auch diese höchst bedeu-
tende Seite altdeutscher Herlichkeit zu ihrem Rechte kommen läßt — innerlich,
indem es nachweist, daß es noch eine andere Tapferkeit gibt als die des
Schwertes und der Lanze: die zwar weniger glänzende, aber in ihrem inneren
Werthe wohl noch höher stehende Tapferkeit der Selbstbezwingung.
Denn, wie Walther singt, ‘wer sieht den lewen? wer sieht den risen? wer
überwindet jenen und disen? daz tuot einer, der sich selber twinget.’
Der Gute Gerhard.
(Vor Zeiten herschte in deutschen Landen ein Kaiser, durch tugendlichen
Wandel und gerechtes Regiment überall bekannt und werth: man hieß ihn Otto
den Rothen. Wandelnd in der hohen Weisheit des großen Karl, war er und mit
ihm seine fromme Gemahlin Ottogeba eine Zierde der Christenheit. Um mit ihrem
Reichtum Gott Ehre zu erweisen, stifteten beide ein Erzbistum zu Magdeburg
im Sachsenlande und begabten ihre Stiftung reichlich mit Dienstmannen, Städ-
ten, Burgen und Land. Für solche That gieng von allen Seiten dem Kaiser die
Rede des Beifalls zu, und sein Lob war in Aller Munde. Da dachte er, hätte er
Preis und Ruhm bei der Welt erlangt, so sollte auch sein Lohn bei Gott groß
werden, dem niemand so viel dar gebracht als er. In diesem thörichten Gedanken
gieng der Kaiser eines Tages zu Magdeburg ganz allein in das Münster und
flehte Gott an, ihn den Lohn wissen zu lassen für die große Gutthat, mit der
er seinen Ruhm und Dienst gemehrt. ‘Das alles habe ich für dich gethan; was
wird mir dafür?’ Da ward ihm die Antwort durch eines Engels Stimme: ‘Dir
war schon ein Stuhl im Himmel bereitet, aber durch dein Selbstlob hast du ihn
selber von der Stätte gestoßen. Deiner Gutthat ist vergessen, weil dein verkehr-
tes Herz sich erkühnt hat, sie dem Vergelter vorzuhalten. Willst du wissen, wie
man sich ohne argen Wahn nach Gottes Geboten halten muß, so ziehe nach
Köln, zu jenem Kaufmann, den keine Fürstenkrone ziert, dessen Name aber ge-
schrieben steht im Buche der Lebendigen.’
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Extrahierte Personennamen: Rudolf_Von_Eivss Rudolf Rudolf_von
Ems Rudolf Konrad_Iv Konrad Gerhard_von_Köln Gudrun Walther Gerhard Otto Karl Karl Ottogeba
215
ie nach des herzen muote
4450. lönet got der guote;
wil du durch in daz liebe geben,
er git dir herzenliebez leben.’
Min sun mit schoenen zühten
sprach:
‘vater min, diz ungemach
4455. wil ich tragen durch din gebot;
durch minen herren und durch
got
wil ich die frouwen lazen fri.
swie we mir immer nach ir si,
si habe ir man! daz ist ge-
schehen.
4460. wol hin und lat mich iu ge-
sehen,
der mine frouwen haben sol;
durch got gan ich im ir wol.'
Des freute sich min herze
do.
min herre was mit mir so
4465. daz wir begunden beide
von liebe und ouch von leide
mit minem sune weinen da.
von dannen kerten wir do sä
hin an den selben stunden,
4470. da wir den künic funden.
(Sie führen den königlichen Pilger, dessen Schönheit neu erblüht ist, zu der
Braut, und in der seligen Freude der wieder Vereinigten finden Vater und Sohn
schon jetzt einen Ersatz für ihre heldenmiithige, schmerzliche Entsagung. Nach-
dem die erste Hochzeit zergangen, lädt Gerhard seine Gäste alsbald zur zweiten
ein, die er dem König Willehalm von England ausrichtet. Nach dem Feste
führt er seine hohen Schützlinge auf einem besonders dazu ausgerüsteten Schiffe
in die englische Heimat hinüber.. In Lunders (London) wird gelandet; dort ist
gerade eine große Versammlung der Fürsten des Reiches, um an Stelle Wilhelms^
den man für todt hält, einen neuen König zu küren, der des Reiches walte und
der eingerissenen Unordnung steure. Als Gerhard erscheint und die einstmals
durch ihn Geretteten ihn erkennen, wollen dieselben in stürmischer Begeisterung
ihn zum König machen; er aber weist sie auf ihren rechtmäßigen König Wil-
helm hin, welcher noch lebe und wieder erschienen sei. Dessen Krönung wird
nun mit solcher Herlichkeit gefeiert, daß man seit Aitus des Britonen viel-
gepriesener Zeit kein ähnliches Hochfest gesehen. Der schönste Augenblick ist
aber der, da Wilhelm auf Gerhards Fürbitte den Rittern, die während seiner
Abwesenheit Unruhen erregt hatten milde verzeiht.
Das ist der einzige Lohn, den Gerhard sich erbittet. Alles Andere schlägt
er aus, das Herzogtum Kent, welches der König ihm zu Lehen geben will»
nicht minder, als die Grafschaft Lunders und die reichen Schätze, die ihm zu
dreifachem Ersätze aufgenöthigt werden sollen. Nur eine Brustspange und einen
Fingerring nimmt er endlich beim Scheiden, der Königin Irene zu Gefallen»
um beides der daheim gebliebenen Gattin als Angedenken zu überbringen.
‘Wohlbehalten’, — so schließt Gerhard seine Erzählung — ‘kam ich in der
Heimat an. Da deuchte die Leute meine That viel größer und löblicher, als
sie war, und so ist es geschehen, daß man mich seitdem den ‘guten Gerhard’
nennt — mit welchem Rechte, das weiß ich leider nicht. Ich bin nicht gut;
nein, ein so sündiger Mann bin ich, daß ich mich auf nichts Gutes in meinem
ganzen Leben besinnen kann, als auf das Wenige, was ich euch eben erzählt
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober], T20: [König Sohn Maria Heinrich Tochter Karl Herzog England Haus Gemahlin]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz]]
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habe. Ist dies gut — das that ich, aber nichts weiter, und ich bitte nur Gott
mir zu verzeihen, daß ich von meinem Thun hier soviel gesprochen.’
Aber noch ehe Gerhard ganz geendet, wird der Kaiser vom Schmerz der
Reue so heftig bewegt, daß reichliche Thränen ihm auf Bart und Brust rinnen.
In nichts verschwindet sein ruhmrediges Werk neben der bescheidenen Herzens-
gute dieses Kaufmanns, der das Schwerste vollbracht hat um keinen andern
Lohn als das Wohlgefallen Gottes.
Als nun der Kaiser Abschied nimmt und wieder gen Magdeburg reitet, ist
sein Herz umgewandelt. Viel Großes hat er noch seitdem vollbracht, aber nie
hat er sich wieder zu eitlem Selbstruhm erhoben, sondern Lauterkeit und De-
muth bis an’s Ende bewahrt.)
Walther Von Der Vogelweide.
Der größte deutsche Lyriker des Mittelalters ist Walther von der Vogel-
weide. Wir wissen von seinem Leben mehr wie von dem der meisten Dichter
jener Zeit, und doch ist Vieles, namentlich Anfang und Ende seines Lebens,,
in Dunkel gehüllt. Sein Geburtsland, mag dies nun Franken oder Tirol
gewesen sein, muß er schon früh verlassen haben; denn in Oesterreich lernte
er ‘singen und sagen’. Tn diesem von der Natur gesegneten Lande brachte er
seine Jugend zu und fand daselbst an dem Hofe der kunstliebenden Babenberger,
namentlich Friedrichs des Katholischen, ehrenvolle Aufnahme. Allein
diese schöne, sonnighelle Zeit erreichte ein schnelles Ende: Herzog Friedrich
starb im Frühjahr 1198 in Palästina, und durch den Tod seines Gönners wurde,
Walther genöthigt, Wien und Oesterreich zu verlassen und eine Wanderleben
zu führen, auf welchem er den größten Theil Deutschlands und selbst die an-
grenzenden Länder sah und kennen lernte, im Dienste verschiedener Herren
thätig, stets aber an des Vaterlandes Schicksalen den regsten Antheil nehmend und
mit seinem Liede dessen Wohl und Wehe begleitend.
Und treuer, starker Männer bedurfte unser Vaterland damals wohl. Es war
eine bewegte Zeit. Tm Spätherbst des Jahres 1197 war Kaier Heinrich Vi,
im fernen Messina gestorben, und mit seinem Tode war Verwirrung über Deutsch-
land hereingebrochen. Hoh e nstaufe n und Welf en stritten um die Krone,
und durch den Papst, damals Innocenz Iii., wurden diese das Reich zerrütten-
den Streitigkeiten noch genährt und vermehrt. Walther trat von Anfang an
mit Entschiedenheit auf die Seite der Hohenstaufen, zunächst Philipps von
Schwaben, dessen Krönung zu Mainz (1198) er als Augenzeuge freudig be-
grüßte, und verfocht deren Sache mit unerschrocknem Muth und ausharrender
Treue. Nur als nach Philipps Ermordung durch den Pfalzgrafen Otto von
Wittelsbach der Welfe Otto, Heinrichs des Löwen Sohn, der durch die Ver-
mählung mit Philipps Tochter Beatrix die Rechte beider Parteien in sich ver-
einigt zu haben schien, von den Fürsten einmüthig zum Kaiser gewählt worden
war (1208), hatte auch Walther keinen Grund, ihm seine Huldigung zu ver-
sagen. Theils in seinem unmittelbaren Dienste, theils im Dienste ihm ergebener
Fürsten, namentlich des Landgrafen Hermann von Thüringen, erhob
Walther oftmals seine jezt häufiger ernst mahnende und strafende, wie heiter
scherzende Stimme. Dabei ließ er sich durch die bald gegen Otto erfolgenden
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T7: [König Kaiser Rudolf Friedrich Sohn Böhmen Haus Karl Ludwig Albrecht], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T171: [Heinrich Otto Herzog Kaiser König Friedrich Sohn Konrad Sachsen Schwaben], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T4: [Orden Ritter Peter Kreuzzug Land Jahr Jerusalem Johanniter Arnold Frankreich], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Personennamen: Friedrichs Friedrich Friedrich Heinrich_Vi Heinrich Welf Innocenz_Iii Innocenz Philipps_von
Schwaben Philipps Muth Philipps Philipps Otto_von
Wittelsbach_der_Welfe_Otto Otto Otto Heinrichs Heinrichs Philipps Philipps Beatrix Hermann_von_Thüringen Walther Otto
191
2205. ich loste iuch hinnen sä zehant.
daz künecriche ze Engellant
lit mir wol so nähen,
wil ez iu niht yersmähen,
ich behalte iuch sicherlichen
2210. benamen so giietlichen,
daz ez iuch ninder missezimt,
biz man fiir wär und wol ver-
nimt
und üf ein ende rehte ersiht,
ob indert lebet oder niht
2215. der junge künec von Engellant,
der iu ist ze manne benant.’
Diu frouwe ab ir gestüele gie,
si wolte für mich üf ir knie
gevallen sin. daz was mir leit.
2220. do was ich sä gen ir bereit
und bat si durch ir tugent site,
daz si ez lieze und ez vermite.
do wurden ir diu ougen vol.
so kintliche und also wol
2225. künde si mit zühten biten,
daz ich wol sach an ir siten,
daz si vil ernstlich gedanc
üf die bete sere twanc;
des ich mich wol an ir versach.
2230. ir ■ jugent üz alten witzen
sprach:
‘genäde, süezer reiner lip!
lä mich geniezen, daz ein wip
dich an dise weit gebar;
des nim genaedeclichen war
2235. an mir durch elliu werden wip!
genäde, saeldebernder lip !
lä dir min angest sin geklagt
durch die hoehesten magt, —
die himelischen künegin her;
durch die spreit ich mins herzen
2255. süezer reiner lip, für dich, [ser,
daz du gedenkest des, daz ich
ir gename bin genant,
wan ich ein maget bin erkant
und dise frouwen, die hie sint.
2260. nü läz uns werden diniu kint!
süezer vater, lieber tröst,
mache uns von leide erlöst !
genâde, herre, sît dû treist
kristenlichen volleist,
2265. sô ère an uns kristen namen
gotlichen unde lobesamen
und des reinen toufes kraft!
lœse uns von der heidenschaft,
sit dich got hät her gesant.
2270. ich var mit dir in din lant;
swaz dû wilt, daz wil ouch ich.
min vater gerne loeset mich,
des ich im getrouwen soi ;
sô weiz ich von wärheit wol,
2275. lebt der künec von Engellant,
wird ich im lebende erkant,
daz er mich niht lange lät,
ob er gesunt sin leben hät.
sint si aber alle tôt,
2280. die mir helfen suln von not,
so lebt doch got, der lönet dir,
swaz dû begêst genâde an mir.
hilf mir in die kristenheit
durch got und lä dir wesen leit,
2285. daz ich än alle schulde
sô grozen kumber dulde
und ouch die edeln frouwen.
owe, soi ich niht schouwen
vater, friunt noch kristen lant!
2290. wie danne got siniu bant
mit zorne hät an mich geleit
in ungelückes arbeit! ’ [groz.
Der frouwen weinen daz was
ir liehter ougenschin begoz
2295. den gotes reinen meienfliz,
der rôserôt, der liljenwiz
TM Hauptwörter (50): [T32: [Vgl Stadt Aufl Frankreich fig Maas Sch. Einw. Vergl Festung], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T92: [Vgl Aufl fig Vergl Sch. Liv Sept Aug Iii Geb], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch]]